Wie viele Haare müssen noch vergehen?

25 Jahre ist es her – und ich erinnere mich, als wär’s gestern gewesen. Ich hatte meine Ausbildung zum Bänker abgeschlossen und wusste: Das ist es nicht, das ist nicht meine Zukunft. Deshalb probierte ich es mit Werbung. Ideen finden und kreativen Blödsinn entwickeln schien mir eine spaßige Alternative zu sein.

Ab September 1990 saß ich also in einer kleinen Agentur in der Würzburger Vorstadt. Und obwohl der Laden eben den Sprung in die digitale Ära unternommen hatte, bekam ich lediglich eine elektrische Schreibmaschine, deren Korrekturtaste defekt war. Fragt nicht, wie viele Skripte im Papierkorb landeten. Eine harte Schule.

Dehner

Fiffige Ideen
Die Agentur war auf Handelswerbung spezialisiert. Jede Maßnahme musste messbaren Umsatz generieren. Und so lernte ich, verkaufsfördernd für Möbelhäuser, Gartenfachcenter und Lebensmittelmärkte zu schreiben. Immer im Kampf mit der Wettbewerbszentrale und dem eigenen Geschmack. Statt – wie man heute sagt – Mehrwerte zu vermitteln, ging es damals noch darum, „den Preis klein zu schreiben“. So lautete meist das Briefing. Ideen wurde danach bewertet, ob sie „fiffig“ waren.

Pappe statt Pixel
Meine Skripte wurden vom Grafiker mit Schriftart und Punktgröße gekennzeichnet und wanderten dann in den Satz. Das war eine zimmerfüllende Mannesmann Riesenmaschine. Deren Filme wurde im Keller mit tödlichster Chemie entwickelt, dann vom Grafiker zurechtgeschnitten und auf eine Pappe geklebt. Am Abend kam der Lithomensch und holte die Pappen ab, um bis zum nächsten Tag Druckfilme zu erstellen. Was ein Aufwand. Zum Glück bekam ich irgendwann dann auch meinen ersten Mac – und die Abläufe wurden entspannter.

Edeka

Shoot the Copywriter
Zwischendurch musste ich für das eine oder andere Shooting herhalten, denn ein richtiges Foto-Budget gab es manchmal nicht. Sehr lustig bzw. lächerlich, wie man sieht. Ich glaub, es gab 50 Mark für jedes Bild.

Edeka

The next Level
Wie es außerhalb der Handelswerbung zugeht, entdeckte ich im zweijährigen Studium an der BAW Nürnberg. Dort lernte ich als Dozenten auch meinen nächsten Chef kennen, blieb in Nürnberg hängen und entdeckte das Spiel mit Marken und Markenwerten.

Die Texte und Konzepte wurden anspruchsvoller, die Arbeitsnächte länger, die Haare kürzer. Und irgendwann stellte ich beim Haareraufen über ein Briefing fest, dass es immer weniger Haare zum Raufen gab. Mit verminderter Haarpracht, aber vollem Einsatz bin ich nun seit 2000 freiberuflich am Start, verliere mich gelegentlich in Haarspalterei und lasse mich immer noch gerne täglich an den Rechner locken.

Meine Frau sagt manchmal, ich sei kindisch. Ich finde: zum Glück für meine Kunden. Darum macht mir mein Job auch noch nach 25 Jahren Spaß.

Ich denke, ich werde die nächsten Tage ein Bierchen auf dieses Jubiläum trinken und überlegen, was man noch alles machen kann. Mei, i frei mi …

Übrigens: Schon gewusst, dass Sean Connery in ALLEN Bond-Filmen ein Toupet getragen hat?

Fotos: Kurt Roessner